Was ist das Ziel des Projekts „tabletBW trifft Wissenschaft“?
Werden die gewonnenen Daten an das Kultusministerium weitergegeben?
Welchen Nutzen haben Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern von der Teilnahme an der Studie?
Welche digitalen Unterrichtsmaterialien werden eingesetzt?
Warum gibt es so wenige Apps für den fachspezifischen Einsatz?
Soll nun ausschließlich mit Tablets unterrichtet werden?
Auf welchem theoretischen Hintergrund basiert das Forschungsprojekt?
Wird durch das Forschungsprojekt am Ende die Frage „Nutzen Tablets beim Lernen?“ beantwortet?
Wie läuft die Studie ab? Warum finden mehrere Erhebungen statt?
Wofür werden die Kontrollschulen benötigt?
Was wird erhoben? Wonach wird in den Fragebögen gefragt?
Warum ist der Fragebogen so lang?
Warum beantworten Schülerinnen und Schüler Fragen zum Unterricht?
Wie aussagekräftig sind die erhobenen Daten?
Werden Eigenschaften einzelner Lehrpersonen, Klassen oder Schulen betrachtet?
Können wir Antworten einzelnen Personen zuordnen?
Wie und an wen werden die Ergebnisse des Forschungsprojekts weitergetragen?
Wann werden die Ergebnisse weitergetragen?
Wie werden die Daten langfristig gespeichert?
Einleitung
Seit dem Projektstart im Schuljahr 2016/17 haben uns verschiedenste Nachfragen zu unserem Forschungsprojekt erreicht. Wir bedanken uns bei all jenen Eltern und Erziehungsberechtigten, Lehrpersonen, Schulkoordinatorinnen und Schulkoordinatoren, Schulleiterinnen und Schulleitern sowie Schülerinnen und Schülern für ihr großes Interesse an unserem Projekt. Im Folgenden haben wir eine kleine Sammlung der häufig wiederkehrenden Fragen zusammengestellt, um allen auch zukünftig Interessierten unsere Antworten zugänglich zu machen. Sollten Ihnen hier noch wichtige Fragen und Antworten fehlen, schicken Sie uns diese gerne an tablet@hib.uni-tuebingen.de.
1. Hintergrund des Projekts
Was ist das Ziel des Projekts „tabletBW trifft Wissenschaft“?
Von Lehrpersonen wird vermehrt erwartet, dass sie digitale Medien im Unterricht einsetzen, um ihre Schülerinnen und Schüler besser auf die Herausforderungen der „digitalen“ Welt vorzubereiten und wirksames Lernen zu unterstützen. Bisher weiß man allerdings nur wenig darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit ein solcher Medieneinsatz lernförderlich gelingen kann. Vor diesem Hintergrund ist es Ziel des Projekts, zu untersuchen, ob und unter welchen Bedingungen digitale Medien innovative und nachhaltige Lehr- und Lernprozesse ermöglichen. Konkret möchten wir dabei Antworten zu den folgenden Fragen finden:
- Welche Kompetenzen müssen Lehrpersonen erwerben, um mit digitalen Medien lernwirksam zu unterrichten?
- Welche digitalen Anwendungen eignen sich, um spezifische, fachliche Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern zu fördern? Wie müssen diese digitalen Anwendungen im Unterricht eingesetzt werden?
- Welche Voraussetzungen sollten Schülerinnen und Schüler mitbringen, um gut mit digitalen Medien lernen zu können? Zeigt der Einsatz digitaler Medien bei allen Schülerinnen und Schülern und in allen Fächern die gleiche Wirkung?
Was ist der Unterschied zwischen dem Schulversuch „tabletBW – Tablets an allgemeinbildenden Gymnasien“ und dem Forschungsprojekt „tabletBW trifft Wissenschaft”?
Der Schulversuch des Landes Baden-Württemberg „tabletBW – Tablets an allgemeinbildenden Gymnasien“ wurde vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg initiiert und wird von dort administrativ geleitet. In den Schuljahren 2016/2017 bis 2020/2021 erhielten 18 ausgewählte Gymnasien Zuschüsse durch das Kultusministerium für die Anschaffung von Tablets für insgesamt 64 Schulklassen. Darüber hinaus organisiert und veranstaltet das Kultusministerium Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen für Lehrpersonen dieser Gymnasien. Ziel des Schulversuchs ist es, auf diese Weise Schulen darin zu unterstützen digitale Medien effektiv im Unterricht einzusetzen. Dabei macht das Kultusministerium keine Vorgaben, wie und wie häufig die Tablets im Unterricht eingesetzt werden sollen. Der Schulversuch schafft somit die notwendige Grundlage, um im Forschungsprojekt den lernwirksamen Einsatz digitaler Medien im Unterricht zu untersuchen.
Ergänzend zum Schulversuch haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung (HIB) der Universität Tübingen und des Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM) das Forschungsprojekt „tabletBW trifft Wissenschaft” ins Leben gerufen. Sie führen an den am Schulversuch teilnehmenden Schulen Befragungen durch und erproben von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen entwickelte Unterrichtsmaterialien, um die Bedingungen und Voraussetzungen eines lernwirksamen Einsatzes von Tablets im Unterricht zu identifizieren und diese Befunde in die pädagogische Praxis zurückzuspielen. Die Forschung wird unabhängig vom Kultusministerium durchgeführt.
Werden die gewonnenen Daten an das Kultusministerium weitergegeben?
Nein, die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geben keinerlei Daten an das Kultusministerium weiter. Die bei den Befragungen gewonnenen Daten werden ausschließlich zur Beantwortung der Forschungsfragen (vgl. Ziel des Projekts) genutzt. Das Kultusministerium erhält dann nach Abschluss des Forschungsprojekts eine Rückmeldung darüber, wie die Forschungsfragen beantwortet werden konnten. Dabei werden jedoch keinerlei Aussagen über einzelne Schulen, Klassen, Lehrpersonen oder Lernende gemacht (vgl. Ethik/Datenschutz). Alle Aussagen werden auf einer allgemeinen Ebene getroffen.
Welchen Nutzen haben Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern von der Teilnahme an der Studie?
Durch die Teilnahme haben die Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern und Erziehungsberechtigte keinen direkten Nutzen. Warum ist es dennoch wichtig teilzunehmen? Bisher ist nicht viel darüber bekannt, welche Voraussetzungen für einen lernwirksamen Einsatz von digitalen Medien im Unterricht erfüllt sein müssen und wie sich der Einsatz digitaler Medien auswirkt. Mit der Teilnahme an unserer Studie tragen Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler maßgeblich dazu bei, Erkenntnisse darüber zu gewinnen. Diese können in Zukunft genutzt werden, um digitale Medien gewinnbringend zur Förderung schulischer Lernprozesse einzusetzen. Damit unterstützen sie zukünftige Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler.
Welche digitalen Unterrichtsmaterialien werden eingesetzt?
An dieser Stelle ist es wichtig zwischen den im Rahmen des Forschungsprojekts und jenen durch die jeweilige Lehrperson eingesetzten digitalen Unterrichtsmaterialien zu unterscheiden. Im Rahmen des Forschungsprojekts kommen die folgenden spezifischen digitalen Lehr-Lernmaterialien zum Einsatz, die auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen entwickelt wurden:
- das eChemBook, ein digitales Chemiebuch,
- das FeedBook, ein interaktives Workbook für den Englischunterricht,
- Digitalisierungsexperte, eine digitale Wissensplattform über das Internet im Bereich Digitalisierung, Industrie und Arbeiten 4.0
- das mBook, ein digitales Geschichtsbuch und
- Semideus, eine gamebasierte Intervention zur Verbesserung des Verständnisses von Brüchen.
Darüber hinaus kann die jeweilige Lehrperson frei entscheiden, welche weiteren digitalen Unterrichtsmaterialien sie in ihrem Unterricht einsetzt. Ihr werden hierin weder vom Kultusministerium noch von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Forschungsprojekts Vorgaben gemacht. Denn genau darum geht es im Forschungsprojekt „tabletBW trifft Wissenschaft“: zu schauen, wie Tablets unter realen Bedingungen ohne Vorgaben genutzt werden.
Dabei gehen wir den Forschungsfragen nach, welche Bedingungen zum lernwirksamen Einsatz dieser digitalen Medien beitragen, wie gut Schülerinnen und Schüler mit den verschiedenen Materialien arbeiten können, wie Lehrpersonen darin unterstützt werden können die Materialien lernförderlich einzusetzen und wie der Einsatz dieser Materialien die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler beeinflusst.
Warum gibt es so wenige Apps für den fachspezifischen Einsatz?
Bislang gibt es relativ wenige fachspezifische Softwareapplikationen auf dem Markt. Bei den vorhandenen Apps liegt der Schwerpunkt bislang meist auf naturwissenschaftlichen Fächern. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass der schulbezogene Digitalisierungsmarkt noch relativ jung ist. Insbesondere durch politische Initiativen ist jedoch davon auszugehen, dass zunehmend fachspezifische Anwendungen (z.B. Lernprogramme) auch aus anderen Fachbereichen auf den Markt kommen werden. Hierbei sind insbesondere Initiativen lobend hervorzuheben, die frei zugängliche und kostenlose Lern- und Lehrmaterialien bereitstellen (sogenannte Open Educational Resources).
Soll nun ausschließlich mit Tablets unterrichtet werden?
Digitale Medien stellen nur eines von vielen verschiedenen Werkzeugen dar, die es ermöglichen, Unterricht lernförderlich zu gestalten. Wie bei jedem anderen Werkzeug auch muss man sich immer die Frage stellen, welches Werkzeug sinnvoll für eine bestimmte Aufgabe ist – man dreht schließlich auch nicht mit einem Hammer eine Schraube rein! Digitale Medien sollten dort im Unterricht eingesetzt werden, wo sie analoge Herangehensweisen sinnvoll ergänzen können oder diese nicht umsetzbar sind. Beispielsweise gelangt man im naturwissenschaftlichen Unterricht bei bestimmten Phänomenen mit realen Experimenten an Grenzen – weil z.B. eine Veränderung von Variablen erforderlich ist, die experimentell nicht umgesetzt werden kann (z.B. das Verhältnis von Beutetieren und Jägern in der Natur). Gleichzeitig können digitale Medien Lehrpersonen darin unterstützen, Grenzen der zeitlichen Leistbarkeit zu überwinden. So kann im Englischunterricht beispielsweise automatisches Feedback helfen, allen Schülerinnen und Schülern direkte Rückmeldung über die Qualität beim Schreiben von Texten zu geben und die Lehrperson auf diese Weise entlasten (vgl. Feedbook). Entsprechend können digitale Medien nicht die Lehrperson oder deren didaktisches Handeln ersetzen; sie können sie jedoch auf vielfältige Weise sinnvoll ergänzen.
Auf welchem theoretischen Hintergrund basiert das Forschungsprojekt?
Den Einsatz digitaler Medien (bspw. Tablets) verstehen wir als Angebot von Lerngelegenheiten, die gezielt zum Aufbau von Kompetenzen gestaltet werden. Wichtig ist dabei die Qualität des Medieneinsatzes durch die Lehrperson. Digitale Medien sollten analoge Medien nicht bloß ersetzen. Sie sollten besonders dann eingesetzt werden, wenn sie effizienter für die Gestaltung von Lehr-Lernprozessen sind oder Grenzen analoger Medien überwinden können. Zum Beispiel kann auf einem Tablet die Lernapplikation Semideus in Mathematik eingesetzt werden, um mit einem spielbasierten Ansatz das Verständnis von Brüchen zu erleichtern. Dieser Ansatz wäre mit analogen Medien nur schwierig zu realisieren. Damit die Lerngelegenheiten positive Wirkungen auf den Lernprozess und die Lernergebnisse entfalten können, ist aber gleichermaßen das Nutzungsverhalten der Lernenden bedeutsam. Dieses Zusammenwirken von Angebot und Nutzung von Lerngelegenheiten wird in der Unterrichtsforschung in Angebot-Nutzungs-Relationen dargestellt. Ein solches Modell (Abb. 1) bildet die Grundlage für unser Forschungsprojekt.
Abbildung 1. Angebot-Nutzungs-Modell zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht (Lachner, Stürmer & Scheiter, 2020)
2. Forschungsziele und Forschungsmethoden
Wird durch das Forschungsprojekt am Ende die Frage „Nutzen Tablets beim Lernen?“ beantwortet?
Die Frage ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht sinnvoll zu beantworten. Am anschaulichsten lässt sich das wahrscheinlich durch das folgende Beispiel verdeutlichen: Würde man fragen „Helfen Bücher beim Lernen?”, käme man ganz schnell auf eine Reihe von Faktoren, von denen dies abhängt: Was steht in dem Buch? Wie sind die Inhalte aufbereitet? Wie nutzen Schülerinnen und Schüler das Buch? Werden sie angeleitet, „richtig” zu lesen, d.h. dem Text Sinn zu entnehmen? Ähnlich ist das beim Lernen mit Tablets. Ein Tablet ist zunächst einmal nur ein technisches Gerät, ein Informationsträger, der allein keine Lerneffekte mit sich bringt. Der Lernerfolg hängt auch hier von einer Reihe von Faktoren ab. Daher untersuchen wir in „tabletBW trifft Wissenschaft” eher die Rahmenbedingungen, die für einen lernförderlichen Einsatz von Tablets im Unterricht wichtig sind.
Wie läuft die Studie ab? Warum finden mehrere Erhebungen statt?
Um die Frage beantworten zu können, welche Merkmale der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte einen Einfluss auf das Lehren und Lernen mit dem Tablet haben, wurden verschiedene, in Frage kommenden Merkmale mit Fragebögen und Testverfahren zunächst zu einem ersten Messzeitpunkt erfasst, zu dem die Tablets in den Tabletklassen noch nicht eingesetzt worden waren. Bei den Merkmalen handelt es sich teilweise um Merkmale, bei denen man davon ausgeht, dass sie relativ unveränderlich sind, also über einen längeren Zeitraum gleich ausgeprägt sind wie z.B. bestimmte Persönlichkeitsmerkmale. Diese Merkmale wurden nur einmalig zum ersten Messzeitpunkt erfasst. Bei anderen Merkmalen, wie z.B. Einstellungen zur Mediennutzung im Unterricht, gehen wir davon aus, dass sie veränderlich sind und vor allem durch die Nutzung der Tablets beeinflusst werden können. Diese Merkmale werden zu weiteren Zeitpunkten – nämlich am Ende des ersten Schulhalbjahrs, in dem mit Tablets unterrichtet wurde sowie nach einem Jahr und nach zwei Jahren Tabletunterricht – erneut erhoben um zu prüfen, inwieweit sie sich verändert haben. Eine Annahme ist dabei, dass insbesondere medienbezogene Merkmale sich im Vergleich zu den Kontrollklassen verändern. Die so erhobenen Merkmale der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrpersonen können wir mit Einschätzungen des Unterrichts und teilweise auch mit den Schulleistungen der Schülerinnen und Schüler in Beziehung setzen um festzustellen, welche Merkmale für einen guten Unterricht mit Tablets entscheidend sind. Darüber hinaus untersuchen wir für einzelne Apps, die in Forschungsprojekten der beteiligten Institute entwickelt wurden, die Frage, wie diese Apps im Unterricht genutzt werden und welche Auswirkungen dies auf das Lernen hat.
Wofür werden die Kontrollschulen benötigt?
Betrachtet man ausschließlich die Lerneffekte an Tabletschulen über den Verlauf der Zeit, kann man nicht mit Sicherheit sagen, ob die gefundenen Effekte tatsächlich auf den Einsatz von Tablets im Unterricht zurückzuführen sind. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, dass die Effekte dadurch auftreten, dass die Schülerinnen und Schüler insgesamt über den Verlauf der Zeit dazulernen oder die Effekte durch Erfahrungen mit digitalen Medien außerhalb der Schule entstanden sind. Um also herauszufinden, ob die gefundenen Effekte tatsächlich durch das Lernen mit Tablets im Unterricht entstanden sind, benötigt man eine Vergleichsgruppe, die nicht mit Tablets ausgestattet wurde, bei der man aber davon ausgehen kann, dass sie über den Verlauf der Zeit ebenfalls dazulernt und gleichermaßen außerhalb der Schule mit digitalen Medien in Kontakt kommen. Diese Vergleichsgruppe stellen die Kontrollschulen dar.
Was wird erhoben? Wonach wird in den Fragebögen gefragt?
Wir erfassen eine sehr große Bandbreite an verschiedensten Merkmalen sowohl bei Lehrpersonen als auch bei Schülerinnen und Schülern. Die Fragen wurden in den meisten Fällen nicht von uns selbst entwickelt, sondern stammen aus Fragebögen, die in anderen großen Schuluntersuchungen in Deutschland und anderen Ländern eingesetzt wurden. Hier finden Sie eine kleine Auswahl der erfassten Merkmale:
– Persönlichkeitsmerkmale,
– kognitive und motivationale Voraussetzungen,
– Unterrichtsgestaltung ohne und mit digitalen Medien,
– Erfahrungen mit digitalen Medien,
– Einstellungen gegenüber digitalen Medien und Unterricht,
– die Motivation hinsichtlich der Mediennutzung,
– Überzeugungen über die eigenen Fertigkeiten bei der Mediennutzung,
– technische Fertigkeiten.
Warum ist der Fragebogen so lang?
Die eingesetzten Fragen stammen überwiegend aus Fragebögen, die bereits in großen Untersuchungen in Deutschland und anderen Ländern eingesetzt wurden. Daher lässt sich im Vorfeld nicht immer sagen, ob sich die Fragen auf Deutschland und unser Forschungsprojekt im Speziellen einfach so übertragen lassen. Bei der ersten Erhebung kamen deshalb viele Fragen zu den gleichen Inhaltsbereichen zum Einsatz um so zu prüfen, welche in unserem Kontext am besten geeignet sind. So konnten wir bei späteren Erhebungen auch Fragen, die sich als nicht übertragbar erwiesen haben, weglassen. Gleichzeitig ist es aber so, dass einige Merkmale, wie beispielsweise die Motivation zum Lernen mit digitalen Medien, aus unterschiedlichen Teilaspekten bestehen. Um solche Merkmale zuverlässig mit all ihren Teilaspekten zu erfassen, werden sie daher zumeist nicht nur über eine einzelne Frage sondern über einen Satz von mehreren, manchmal sehr ähnlich erscheinenden Fragen erhoben. Dazu kommt, dass eine zuverlässige Erfassung von Merkmalen nur dann möglich ist, wenn man diese mit mehreren, manchmal sehr ähnlich erscheinenden Fragen erfasst. Wir können die Fragebögen daher nicht beliebig kürzen.
Da wir eine ganze Menge an verschiedenen Merkmalen sowohl bei Lehrpersonen als auch bei Schülerinnen und Schülern erfassen (vgl. „Wonach wird in den Fragebögen gefragt?“), um die Bedingungen eines gelingenden Tableteinsatzes identifizieren zu können, sind die Fragebögen entsprechend lang.
Warum werden auch die Eltern und Erziehungsberechtigte befragt, wenn es doch um den Einsatz von Tablets im Unterricht geht?
In der bisherigen Forschung hat sich immer wieder gezeigt, dass Merkmale wie Einstellungen und Interesse zum Lernen aber auch Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern entscheidend durch die Erfahrungen außerhalb der Schule mitgeprägt werden. Wir gehen ebenfalls davon aus, dass das Lernen mit digitalen Medien nicht ausschließlich im Unterricht stattfindet, sondern auch von den Erfahrungen im familiären Umfeld geprägt wird. Aus diesem Grund interessieren wir uns dafür, in welcher Weise Schülerinnen und Schüler digitalen Medien zuhause nutzen und wie sie dabei von ihren Eltern und Erziehungsberechtigten unterstützt werden. Dabei spielt es ebenfalls eine wichtige Rolle, welche Einstellungen Eltern und Erziehungsberechtigte zum Lernen mit digitalen Medien haben und ob sie diese Einstellungen an ihre Kinder weitergeben.
Warum beantworten Schülerinnen und Schüler Fragen zum Unterricht?
Unterricht kann aus sehr unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. In unserer Forschung gehen wir davon aus, dass eine lernförderliche Unterrichtsgestaltung positiv mit den Lernergebnissen von Schülerinnen und Schülern zusammenhängt. In einer langen Forschungstradition haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Vielzahl an Unterrichtsmerkmalen herausgearbeitet, die lernwirksame Unterrichtsprozesse begünstigen. Auch hat sich gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler sehr gut in der Lage sind, solche Merkmale einzuschätzen. Wenn Schülerinnen und Schüler in unseren Fragebögen nach ihrem Unterricht befragt werden, werden sie nicht gebeten ihre Lehrperson zu beurteilen, sondern sie werden nach ihrer Wahrnehmung der Art und Weise der Unterrichtsgestaltung gefragt. Diese Einschätzungen können sich auf den gesamten Unterricht beziehen (z.B. „In unserem Unterricht herrscht eine angenehme Arbeitsatmosphäre.“) oder auf einzelne Elemente in der Gestaltung einer Unterrichtsstunde (z.B. „Zu Beginn des Unterrichts verdeutlicht uns die/der Lehrerin/Lehrer was wir heute lernen sollen.“).
Was genau machen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach der Datenerhebung eigentlich mit den Daten?
Nach jeder Datenerhebung durchlaufen die gewonnen Daten verschiedene Prozesse, die wir gerne in einem kurzen Überblick darstellen möchten:
- Dateneingabe: Die eingesetzten Leistungstests werden alle auf Papier erhoben. In Fällen fehlender technischer Ausstattung oder technischer Schwierigkeiten werden darüber hinaus auch die Fragebögen auf Papier ausgefüllt. Diese Daten werden dann von unseren studentischen Hilfskräften in einen digitalen Datensatz eingetragen. Um mögliche Eingabefehler zu entdecken, erfolgt die Dateneingabe zweifach. Die digital erhobenen Fragebogendaten werden praktischerweise direkt in den digitalen Datensatz übertragen.
- Datenbereinigung: Anschließend müssen die Daten bereinigt werden. Hierbei werden beispielsweise die Fehler bei der Übertragung der Papierdaten in digitale Daten oder Fehler beim persönlichen Identifikationscodes korrigiert oder bei fehlenden Eingaben geprüft, inwieweit diese anderweitig rekonstruiert werden können. Dann erst können die Daten weiterverarbeitet werden.
- Datenaufbereitung: Die Daten bestehen nun aus den Antworten pro Frage. Daher müssen im nächsten Schritt diejenigen Antworten zusammengefasst werden, die das gleiche Merkmal erfassen.
- Datenanalyse: Erst jetzt kann die Datenanalyse mittels statistischer Verfahren beginnen. Dabei werden die Veränderungen einzelner Merkmale im Verlauf des Schuljahrs betrachtet oder Zusammenhänge zwischen verschiedenen Merkmalen aufgedeckt. Manche dieser Analysen sind allerdings erst sinnvoll, wenn die Daten von allen Erhebungszeitpunkten der gesamten Studie vorliegen.
- Dateninterpretation: Nun können die Daten und deren Analysen inhaltlich interpretiert und Antworten auf die verschiedenen Forschungsfragen gefunden werden.
Bei einem großen Projekt wie diesem mit über 3000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und mehreren Erhebungsterminen sind diese Prozesse sehr umfangreich und nehmen viel Zeit in Anspruch.
Wie aussagekräftig sind die erhobenen Daten?
Wir verwenden die bestmöglichen Methoden, um die erhaltenen Daten auszuwerten und Erkenntnisse für die Bildungspraxis zu liefern. Bei der Interpretation der Daten ist jedoch auf den spezifischen Kontext zu achten, d.h. dass Erkenntnisse nicht 1:1 auf eine andere Schule übertragen werden können. Zudem sind die Erkenntnisse aus tabletBW meist auf Basis von korrelativen Daten entstanden. Das bedeutet, dass man lediglich Zusammenhänge zwischen verschiedenen Variablen (Zusammenhang von Tabletnutzung und Unterrichtsqualität) messen kann. Es lassen sich jedoch keine Aussagen über Ursache und Wirkung dieser Variablen treffen, denn potentielle Effekte könnten auch durch weitere Variablen entstanden sein.
3. Ethik der Forschung
Werden Eigenschaften einzelner Lehrpersonen, Klassen oder Schulen betrachtet?
Nein, bei der Auswertung der Daten interessieren wir uns nicht für die Eigenschaften, Einschätzungen oder den Unterricht einzelner Personen, Klassen oder Schulen. Sämtliche Daten werden so zusammengefasst, ausgewertet und veröffentlicht, dass eine Rückführung der Ergebnisse auf einzelne Lehrpersonen, Klassen oder Schulen nicht möglich ist.
Können wir Antworten einzelnen Personen zuordnen?
Sämtliche Daten sind lediglich mit einem Code, nicht aber den Namen der teilnehmenden Personen versehen. Auf einer separaten Entblindungsliste, sind diesen Codes die Namen der Teilnehmenden zugeordnet. Die Entblindungsliste ist notwendig um auch dann, wenn z.B. eine Schülerin oder Schüler, ihren/seinen Code vergisst, die Daten der verschiedenen Messzeitpunkte immer noch zueinander zuordnen zu können. In diesem Fall kann ein Code über die Entblindungsliste rekonstruiert werden – aber wichtig: ohne, dass dabei ein Einblick in die Daten gewährt wird. Diese Listen werden jeweils sicher verwahrt. Für die erste Kohorte (Klasse 7 im Schuljahr 2017/2018) und die teilnehmenden Lehrpersonen verwahrt der Schulkoordinator/die Schulkoordinatorin die Liste an der Schule, hat jedoch keinen Zugriff auf die erhobenen Daten. Für die zweite Kohorte (Klasse 7 im Schuljahr 2018/2019) wird die Entblindungsliste von ausgewählten Projektbeteiligten (wissenschaftliche Koordination) verwahrt, die jedoch an berufsethische Vorgaben gebunden sind, welche eine Verbindung von erhobenen Daten mit den Namen der Teilnehmenden strengstens untersagen. Am Ende des Forschungsprojekts tabletBW werden die Entblindungslisten vernichtet, so dass dann selbst diese Rekonstruktion nicht mehr möglich ist. Die Daten sind dann vollständig anonym.
Welche forschungsethischen und datenschutzrechtlichen Vorgaben finden in den Untersuchungen Anwendung?
Die Studie ist an den ethischen Richtlinien psychologischer Forschung und den datenschutzrechtlichen Bestimmungen nach der europäischen DSG-VO (Datenschutzgrundverordnung) und ihren länderspezifischen Ausführungsbestimmungen ausgerichtet. Mit der Anwendung der ethischen Grundprinzipien psychologischer Forschung wird gewährleistet, dass Teilnehmende an der Untersuchung selbstbestimmt (d.h. freiwillig), ohne Risiko, unter Wahrung der Würde und Integrität der Person und gleich behandelt teilnehmen. Mit der Einhaltung der Datenschutzbestimmungen wird ein Schutz der personenbezogenen Daten, die im Forschungsprozess erhoben werden, gewährleistet. Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen wurde durch den Datenschutzbeauftragten des Kultusministeriums des Landes Baden-Württemberg geprüft. Auf der Basis dieser Prüfung wurde das Forschungsprojekt durch das Kultusministerium genehmigt.
Was bedeutet die strikte Orientierung an forschungsethischen Grundprinzipien und Datenschutzbestimmungen für die Vorbereitung der Untersuchungen?
Eine wesentliche Konsequenz ist, dass Teilnehmende an den Untersuchungen sowie im Fall der Schülerinnen und Schüler ihre Erziehungsberechtigten umfassend und verständlich über alle Vorgehensweisen informiert sein müssen und diesen schriftlich zustimmen müssen (Gebot der Transparenz). Insbesondere müssen alle Beteiligten darüber aufgeklärt werden, dass die Teilnahme freiwillig ist, sie diese jederzeit ohne Angabe von Gründen beenden können und dass sie ihre Daten jederzeit – bis zum Zeitpunkt der vollständigen Anonymisierung der Daten am Ende des Forschungsprojekts – löschen lassen können. Bei der Gestaltung der Informationsschreiben hat uns der Anspruch geleitet, die beteiligten Personen über alle relevanten Aspekte des Forschungsprojekts ausführlich zu informieren, damit ihnen eine informierte Einwilligung zur Teilnahme am Projekt ermöglicht wird. Bei einem vielschichtigen Forschungsprojekt wie diesem hat das leider dazu geführt, dass die Informationsmaterialien sehr umfangreich geworden sind und das Lesen dieser sehr aufwändig war. Um sicherzustellen, dass die beteiligten Personen, die bereits im Schuljahr 2017/18 an den Datenerhebungen teilgenommen haben, ebenfalls ihre informierte Einwilligung im Sinne der DSG-VO geben können, wurden die Teilnehmerinformationen und Einwilligungserklärungen auch für sie überarbeitet und erneut verteilt.
Soll durch das Forschungsprojekt gezeigt werden, dass Tablets den Unterricht und das Lernen verbessern?
Nein, das ist nicht unser Ziel. Als Forschende sind wir der Objektivität verpflichtet. Das heißt, dass wir unsere Forschung so gestalten, dass das Ergebnis offen ist. Auf die mögliche Frage „Verbessern Tablets den Unterricht und das Lernen?“ wären demnach verschiedene Ausgänge möglich: (1) Tablets verbessern Unterricht und Lernen, (2) sie beeinträchtigen sie, (3) sie beeinflussen sie nicht. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir nicht bestimmte Annahmen (Hypothesen) haben, die unsere Forschung leiten. Im Gegenteil: Wir haben im Vorhinein verschiedene Hypothesen zur Wirkung von Tablets formuliert, die wir in unserer Studie auf ihre Richtigkeit testen. So nehmen wir beispielsweise an, dass positive Erfahrungen beim Lernen mit dem Tablet die Motivation zu dessen Nutzung fördern. Unsere Forschung ist dann immer so gestaltet, dass solche Hypothesen mit den gewonnenen Daten widerlegt werden können.
Im Übrigen sind unsere Fragestellungen vielschichtiger als die genannte Frage, da wir aus vorheriger Forschung wissen, dass Lernen von einer Vielzahl von sich gegenseitig beeinflussenden Aspekten abhängt (vgl. „Was ist das Ziel des Projekts ‚tabletBW trifft Wissenschaft‘?“ und „Wird durch das Forschungsprojekt am Ende die Frage ‚Nutzen Tablets beim Lernen?‘ beantwortet?“).
Ist es gerechtfertigt, dass das Forschungsprojekt in der Schule stattfindet und dadurch Unterrichtszeit beansprucht wird?
Das Forschungsprojekt fordert von den beteiligten Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen nicht nur ein hohes Engagement, sondern auch eine ganze Menge (Unterrichts-)Zeit. Manche mögen sich da schon gefragt haben, ob das eigentlich gerechtfertigt ist. Unser vorrangiges Ziel ist es, mit unserer Forschung Erkenntnisse bereitzustellen, die für die Gestaltung von Bildungsprozessen hilfreich sind und als wissenschaftliche Grundlagen für bildungspolitischen Entscheidungen dienen können. Wir möchten also zur Evidenzbasierung solcher Entscheidungen beitragen, indem wir beispielsweise aufzeigen, von welchen Faktoren guter Unterricht mit Tablets abhängt. Beispielsweise können wir mit unserer Forschung die Frage beantworten, welche Eigenschaften Lehrpersonen aber auch Schülerinnen und Schüler mitbringen müssen, um von tabletunterstütztem Unterricht zu profitieren. Diese Eigenschaften können dann in Maßnahmen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen oder in Trainings für Schülerinnen und Schüler gefördert werden.
Wie und an wen werden die Ergebnisse des Forschungsprojekts weitergetragen?
Die Ergebnisse und Erkenntnisse aus unserem Forschungsprojekt werden auf verschiedenen Wegen und an verschiedene Stellen weitergetragen und somit nutzbar gemacht:
- an Vertreterinnen und Vertreter der (Bildungs-)Forschung: Über Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften und Fachbüchern oder wissenschaftliche Vorträge auf Fachtagungen werden die Ergebnisse an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weitergegeben, die sich für ähnliche Themen interessieren.
- an Vertreterinnen und Vertreter der Bildungspraxis: Wir bereiten die Ergebnisse auch für Bildungspraktiker wie z.B. Lehrpersonen auf, die daran interessiert sind, wie sie Tablets in ihrem jeweiligen Unterricht lernförderlich einsetzen können.
- an Vertreterinnen und Vertreter der Bildungsadministration: Wir berichten beispielsweise den Vertreterinnen und Vertretern des Kultusministeriums über die Ergebnisse des Forschungsprojekts.
- an die Teilnehmenden des Forschungsprojekts: Wir stellen die Forschungsergebnisse in Kurzform in einem Ergebnisbericht zusammen. Dieser Ergebnisbericht wird den teilnehmenden Schulen zur Weitergabe an teilnehmende Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen und alle weiteren interessierten Personen zur Verfügung gestellt.
- an Vertreterinnen und Vertreter der „interessierten Öffentlichkeit“: Die Forschungsergebnisse in Kurzform werden auf unserer Homepage für alle Interessierten bereitgestellt.
Wichtig: Egal an wen wir uns richten, alle Darstellungen der Ergebnisse werden immer vollständig anonym sein und keine Rückschlüsse auf einzelne Schulen, Klassen oder Personen ermöglich!
Wann werden die Ergebnisse weitergetragen?
Wir können uns sehr gut vorstellen, dass Viele schon sehr gespannt auf die Ergebnisse des Forschungsprojekts sind. Leider müssen wir noch um etwas Geduld bitten. Die erste Datenerhebung hat im Februar 2018 stattgefunden – bevor die damaligen Siebtklässler der Tabletschulen mit der Arbeit mit Tablets begonnen haben. Da wir uns nicht nur für die kurzfristigen Effekte der Nutzung von Tablets im Unterrichts sondern insbesondere für die langfristigen Entwicklungen und Auswirkungen interessieren, ist es sinnvoll die Daten der ersten Erhebung mit jenen aus den folgenden Messzeitpunkten (Sommer 2018 und Sommer 2019) in Beziehung zu setzen. Die Aufbereitung der Daten ist dabei sehr aufwändig (vgl. „Was genau machen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach der Datenerhebung eigentlich genau mit den Daten?“) und wir müssen durch verschiedene Prüfverfahren sicherstellen, dass unsere Schlussfolgerungen zuverlässig sind. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass keine Ergebnisse nach außen getragen werden, die nur auf vorläufigen Analysen beruhen und deren Aussagekraft noch nicht abschließend gesichert wurde.
Wie werden die Daten langfristig gespeichert?
Aus forschungsethischen Gründen sollten Daten, die mit einem so großen Aufwand erhoben wurden und wertvolle Erkenntnisse für eine Vielzahl von Forschungsfragen liefern können, auch anderen Forscherinnen und Forschern für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt werden. Die Daten werden daher auf Datenrepositorien gespeichert und für eine Nachnutzung zur Verfügung gestellt, die für diesen Zweck zertifiziert wurden und besonderen Datenschutzbestimmungen genügen. Die Daten liegen dort in vollständig anonymisierter Form vor, sodass der Rückschluss auf einzelne Personen, Klassen oder Schulen unmöglich ist.